1.Flüchtlingsanerkennung  wegen Wehrdienstsentziehung

Zurückkehrenden syrischen Asylbewerbern, die sich der Wehrpflicht in Syrien durch Ausreise ins Ausland entzogen haben, droht derzeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung durch den syrischen Staat wegen einer ihnen deshalb zumindest zugeschriebenen regimefeindlichen Gesinnung. droht derzeit allein wegen einer illegalen Ausreise aus Syrien und der Asylantragstellung sowie dem Aufenthalt in Deutschland. Ihnen ist daher die Flüchtlingsanerkennung zuzuerkennen (OVG Sachsen, Urt. v. 07.02.2018 – 5 A 1245/17.A – Asylmagazin 6/2018 S. 203 ff).

 

2. Flüchtlingsanerkenung / inländische Fluchtalternative

Rückkehrenden syrischen Asylbewerbern droht gegenwärtig unabhängig von einer Vorverfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung wegen illegaler Ausreise, Asylantragstellung und des nicht nur kurzfristigen Aufenthalts im westlichen Ausland genstehenden Entscheidungen des OVG NRW Urteil.

Darüber hinaus droht Rückkehrern im wehrdienstfähigen Alter unabhängig von einer Vorverfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr, in Syrien menschenrechtswidrigen Behandlungen ausgesetzt zu sein. Gleich wahrscheinlich ist es, dass wehrfähige Rückkehrer der Gefahr ausgesetzt sind, in einer die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG erfüllenden Weise zum Wehrdienst herangezogen zu werden.

Auch minderjährigen syrischen Kindern ist – ebenso wie Ehefrauen – die Flüchtlingseigenschaft wegen Rückkehrergefährdung infolge Reflexverfolgung zuzuerkennen.

Eine inländische Fluchtalternative im Sinne von § 3e AsylG ist nicht eröffnet, da die Verfolgungsgefahr bereits unmittelbar bei der Einreise nach Syrien gegeben ist. Denn die internationalen Flughäfen (insbesondere Damaskus) sowie offizielle Grenzstationen stehen als einzig mögliche Ziele einer zwangsweisen Rückführung nach Syrien unverändert unter der Kontrolle der Regierungskräfte (VG Göttingen, Urt. v. 22.03.2017 – 3 A 25/17 – zit. n. asyl.net).

 

3. Wehrdienstentzug

Staatenlosen palästinensischen Volkszugehörigen aus Syrien, die nachweisen können, förmlich von UNRWA registriert worden zu sein und Syrien bürgerkriegsbedingt verlassen zu haben, ist der Flüchtlingsschutz zuzuerkennen, da UNRWA keinen Schutz mehr leisten kann.

Rückkehrern aus Syrien im wehrdienstfähigen Alter, die das Land ohne Genehmigung verlassen und sich im Ausland aufgehalten haben, droht Verfolgung aus politischen Gründen.

Dem Kläger, der im Falle der Rückkehr in Syrien der Wehrpflicht unterliegen wird, droht Verfolgung, weil er bei einer Rückkehr konkret von Strafverfolgung oder Bestrafung bedroht ist, zumindest aber muss er mit menschenwidriger Behandlung oder Folter bei Verhören bzw. Befragungen durch den syrischen Staat rechnen, weil er einer jederzeit möglichen erneuten Einberufung nach seinen Bekundungen nicht Folge leisten und sich damit dem Militärdienst entziehen wird.

Ausnahmen von der Wehrpflicht werden – von Bestechungen abgesehen – in eng begrenzten Fällen gemacht, so etwa bei Personen jüdischen Glaubens oder bei Untauglichkeit.

Gesetze und Regelungen über Ansprüche auf Aufschub vom Antritt des Grundwehrdienstes gibt es etwa für Einzelkinder oder Studenten – hier je nach Art des Studiums gestaffelt, regelmäßig höchstens bis zum Alter von 27 Jahren.

Die Regelungen gelten wohl teilweise zwar formal weiter, in der Praxis finden sie allerdings aufgrund des stark zunehmenden Personalbedarfs nur mehr sehr eingeschränkt und zunehmend willkürlich Anwendung (VGH Bad.-Württ., Urt. v. 28.06.2017 – A 11 S 664/17 – zit. n. asyl.et).


4. Palästinenser

Staatenlosen Palästinensern aus Syrien, die von der UNRWA registriert sind, ist in der Regel der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen.
UNRWA ist bürgerkriegsbedingt derzeit nicht in der Lage, palästinensischen Flüchtlingen in Syrien ausreichenden Schutz zu gewähren.  (VGH Hessen, Beschl. v. 30.07.18 – 3 A 582/17.A – zit. n. Asylmagazin 9/2018 S. 308).


5. Reflexverfolgung

Einem Syrer droht die Verfolgung wegen vermeintlich oppositioneller Haltung im Wege der Reflexverfolgung, wenn sein Vater bereits aufgrund unterstellter Unterstützung von Terrorismus inhaftiert und gefoltert wurde.

Zudem droht eine Inhaftierung, um den Vater zur Rückkehr nach Syrien zu bewegen.

Wehrdienstentzug und Herkunft aus einer als oppositionell geltenden Region stellen gefahrerhöhende Umstände dar, denn sie machen die Befragung bei einer Einreise wahrscheinlicher (VG Berlin, Urteil vom 07.10.2019 – 1 K 29.17 A – zit. n. Asylmagazin 1-2/2020 S. 32).