1. Zur Behandelbarkeit psychischer Erkrankungen

Eine spezialisierte psychiatrische Behandlung für Kinder steht in Algerien im staatlichen Gesundheitswesen nur auf niedrigem Niveau zur Verfügung.

Eine Behandlung in privaten Praxen oder Kliniken ist für algerische Familien in der Regel – wenn sie überhaupt erreichbar ist – zu teuer.

Dem algerischen Gesundheitsministerium sei bekannt, dass die Qualität der Behandlung psychischer Erkrankungen durch zahlreiche Mängel gefährdet sei.

Mitursächlich für diese Zustände sei die geringe Zahl an Psychiatern in Algerien sowie der Mangel an Mitteln in den spezialisierten Zentren und in den Gesundheitssektoren.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das algerische Gesundheitswesen in den vergangenen Jahren konstant an Qualität verloren hat (VG Darmstadt, Urt. v. 20.02.2015 – 4 K 512/13.DA.A – zit. n. asyl.net).


2. Christen

Kein Widerruf einer Asylanerkennung aus dem Jahre 1998 für zum Christentum konvertierten ehemaligen Moslem, da sich die Lage der Christen in Algerien in den letzten Jahren deutlich verschlechtert hat und Verfolgungsgefahr (weiterhin) droht. Nach Einschätzung des Gerichts, basierend unter anderem auf dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 15.04.09, sehen sich Christen in Algerien gegenwärtig eher zunehmenden Repressionenn ausgesetzt (VG Freiburg, Urt. v. 25.11.2009 – A 1 K 692/08 – zit n. www.asyl.net).

3. Desertion

Die Schweizerische Flüchtlingshilfe SFH beobachtet die Entwicklungen in Algerien seit mehreren Jahren.
Bei der Einreise werden alle Personen über eine zentrale Datenbank überprüft.
Personen, gegen die ein Haftbefehl oder eine Verurteilung vorliegt, werden direkt an die zuständige Behörde übergeben. Im schlimmsten Fall, wenn die einreisende Person
mit Terrorismus in Verbindung gebracht wird, wird sie direkt dem Département du Renseignement et de la Sécurité (DRS), dem Militärgeheimdienst, überstellt.
Konkrete Fälle von Deserteuren aus der Garde Communale sind uns nicht bekannt. Bei einer Verurteilung in Abwesenheit ist mit einer Verhaftung am Flughafen zu rechnen (SFH, 24.02.2010, zit. n. www.asyl.net).


4. Flüchtlingsanerkennung wegen geschlechtsspezifischer Verfolgung

Die Klägerin konnte glaubhaft darlegen, dass ihr bei einer Rückkehr nach Algerien zwar nach drei misslungenen Versuchen keine erneute Zwangsverheiratung, stattdessen aber der Tod durch ihre Onkel drohen würde.
Staatlichen Schutz für Frauen, die in Algerien häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, gibt es nicht. Angesichts dessen geht das Gericht davon aus, dass der algerische Staat keine Veranlassung sehen wird, die Klägerin vor den Folgen einer verweigerten Zwangsheirat, insbesondere vor Gewaltausübung ihrer Onkel, zu schützen.
Kehrt eine ledige Frau ohne Beruf und ohne spezifische Ausbildung nach Algerien zurück und will sie ihren Unterhalt ohne Hilfe der Familie bestreiten, so ist dies nach Einschätzung des Deutschen Orient-Instituts kaum zu bewerkstelligen.
Die der Klägerin drohende Verfolgung durch ihre Onkel stellt eine relevante nichtstaatliche Verfolgung dar, da der Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen, nicht in der Lage sind, der Klägerin Schutz vor der Verfolgung zu bieten (VG Oldenburg, Urt. v. 13.04.2011 – 3 A 2966/09 – zit. n. www.asyl.net).


5. Abschiebungsverbot wegen unehelichem Kind

Der Mutter eines unehelichen Kindes in Algerien droht geschlechtsspezifische Verfolgung aufgrund menschenunwürdiger Behandlung wie unmittelbare Gewaltanwendung und Ausgrenzung, vor welcher der algerische Staat keinen auch nur ansatzweise hinreichenden Schutz bieten kann.

Für das Gericht steht unter Berücksichtigung insbesondere der ausführlichen ärztlichen Berichte der die Klägerin wegen ihrer erkrankten Psyche behandelnden Fachärzte und des persönlichen Eindrucks in der mündlichen Verhandlung fest, dass die Klägerin psychisch schwer erkrankt ist.

Vor dem Hintergrund der dem Gericht vorliegenden Informationen über die Situation in Algerien erscheint es ausgeschlossen, dass die Klägerin als Mutter eines nichtehelichen Kindes sich in das Leben im Haus ihrer Familie in H. oder sonst irgendwo in Algerien eingliedern kann, ohne ständig von menschenunwürdiger Behandlung wie unmittelbarer Gewaltanwendung und Ausgrenzung bedroht zu sein.

So zeichnen der Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Stand: Juli 2010, S. 18) und der Report vom amnesty international (2011, „Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen“) ein erschreckendes Bild von der Situation der Frauen in Algerien allgemein (VG Göttingen, Urt. v. 06.09.2011 – 3 A 163/11 – zit. n. www.asyl.net).