1. Zwangsheirat

Subsidiärer Schutz für eine Frau aus Türkei, die sich der Zwangsverheiratung widersetzt hat und eine „Liebesehe“ einging.

Trotz partieller Verschlechterungen seit dem Putschversuch vom Sommer 2016 ist weder von einer Gruppenverfolgung kurdischer Volkszugehöriger noch von einer Verfolgung aufgrund der Asylantragsstellung im Ausland auszugehen.

Systematische Bedrohungen und Gewalttaten aufgrund der verweigerten Zwangsheirat können im Einzelfall jedoch die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus rechtfertigen, da der türkische Staat Frauen nur teilweise Schutz vor familiärer Gewalt bietet.

Dies ist hier für eine jungen Kurdin ohne Schul- und Berufsausbildung mit zwei Kleinkindern, der im Falle ihrer Rückkehr weder ein sie unterstützender Ehemann noch ein soziales Netzwerk zur Seite stünde, der Fall (VG Karlsruhe, Urt. v. 19.07.2019 – A 10 K 15283/17 – asyl.net: M27567).

2. Gerichtsverfahren

Eine Person, die wegen Verbrechen der PKK in der Türkei angeklagt ist, erwartet kein faires Verfahren, sondern eine unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, die an eine politische Grundhaltung anknüpft.
Inder Türkei werden bei Verfahren mit politischem Bezug rechtsstaatliche Standards nicht eingehalten. Dies gilt vor allem  bei tatvorwürfen im Zusammenhang mit der Mitgliedschaft in der PKK, DHKP-C oder der Gülen-Bewegung (VG Osnabrück, Urt. v. 01.07.2020 – 5 A 338/18 – Asylmagazin 10-11/2020 S. 371).


3. Flüchtlingsanerkennung für einen exilpolitisch tätigen Kurden

Kurden, die sich im Exil in Vereinen engagieren, die den Ideen der PKK, YPG oder der PYD nahestehen, droht in der Türkei politische Verfolgung, da sie vom türkischen Staat als Unterstützer terroristischer Organisationen angesehen werden (VG Weimar, Urt. v. 07.10.2020 – 2 K 1319/18 We – zit. n. Asylmagazin 1-2/2021 S. 39).

4. Auslieferung

Aufgrund der politischen Situation in der Türkei und der dortigen Außerkraftsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist derzeit nicht gewährleistet, dass die Haftbedingungen der EMRK entsprechen.

Dieses Zulässigkeitshindernis für eine Auslieferung kann vorliegend auch nicht durch die Einholung einer völkerrechtlich verbindlichen Zusicherung in Bezug auf die Haftbedingungen ausgeräumt werden.

Denn aufgrund der gegenwärtig unübersichtlichen politischen Lage und den personellen Engpässen in der Verwaltung ist nicht zu erwarten, dass im Einzelfall durch eine individuelle verbindliche Zusicherung dem Betroffenen mehr Rechte eingeräumt werden würden oder könnten als es den tatsächlich herrschenden Bedingungen zur Zeit entspricht (OLG Brandenburg, Beschluss v. 20.03.2017 – (1) 53 AuslA 21/16 (11/16) – zit. n. ASYLMAGAZIN 6/2017, S. 251 f.).


5. Ehegattennnachzug

Nach der in Art. 13 ARB 1/80 enthaltenen Stillhalteklausel ist es nicht zulässig, bei einem Nachzug eines Ehegatten zu einem sich ordnungsgemäß im Bundesgebiet aufhaltenden türkischen Arbeitnehmer die Erfüllung einfacher deutscher Sprachkenntnisse zu verlangen.

Die Klägerin kann sich auf die assoziationsrechtliche Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 berufen. Danach dürfen die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft und die Türkei für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.

Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 steht neben den unmittelbar anwendbaren Rechten der Art. 6 und 7 ARB 1/80, die türkischen Arbeitnehmern und deren Familienangehörigen im Unionsrecht wurzelnde Beschäftigungs- und Aufenthaltsrechte vermitteln (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 30.01.2015 – 7 B 22.14 – zit. n. asyl.net).

6. Gülen

Flüchtlingsanerkennung für Asylsuchende, die in einem Gülen-nahen Verlag beschäftigt waren, da ihnen in der Türkei staatliche Verfolgung droht.
Türkische Behörden und Gerichte ordnen Personen nicht nur dann als terroristisch ein, wenn sie tatsächlich aktive Mitglieder der Gülen-Bewegung sind, sondern auch dann, wenn sie persönliche Beziehungen zu Mitgliedern unterhalten, eine von der Bewegung betriebene Schule besucht haben oder im Besitz von Schriften Gülens sind (VG Berlin, Urt. v. 29.01.2021 – 37 K 13/20 A – zit. n. Asylmagazin 5/2021 S. 164).